Brief an Landesverkehrsminister W. Hermann zum angedachten Stuttgarter Nahverkehrsdreieck

Sehr geehrter Herr Hermann,

nach fast 30 Jahren Planung für Stuttgart 21 wird es nun immer deutlicher, dass die Kapazitäten von S21 dem zu erwartenden Bahnverkehr der Zukunft nicht gerecht werden. Der Tiefbahnhof, der laut Regelwerk der Deutschen Bahn AG nur eine Haltestelle ist, ist schlicht und einfach zu klein.

Deshalb forderten Sie bis vor einigen Monaten einen zusätzlichen unterirdischen Kopfbahnhof. Aus laut Medienberichten wirtschaftlichen Gründen verabschiedeten Sie sich dann von dieser Idee und brachten das sogenannte „Nahverkehrsdreieck“ ins Spiel. Dieser Plan sieht vor, dass Regionalbahnen, wozu auch die MEX-Züge gehören, nicht in den Stuttgarter Tiefbahnhof einfahren sollen sondern in Stuttgart-Vaihingen, Bad Cannstatt oder dem noch nicht einmal geplanten Nordhalt enden bzw. von diesen Stationen am Hauptbahnhof vorbei weiterfahren sollen.

Die Nutzer dieser Nahverkehrszüge sollen dann mit der S-Bahn zum Hauptbahnhof fahren, um ihre Fernbahnanschlüsse zu erreichen. In umgekehrter Richtung die gleiche Prozedur, also Ankunft am Hbf mit dem Fernzug, Umstieg in die S-Bahn und danach wieder Umstieg in die Regionalbahnen.

Interessant ist, was die Bahn dazu schreibt. So heißt es im Vorwort zum Erläuterungsbericht zum Planfeststellungsbeschluss 1.5 wie folgt:

„Der Bahnkorridor zwischen Stuttgart und Ulm erfüllt im Netz der Deutsche Bahn Netz AG (DB Netz AG) wichtige Aufgaben sowohl im Fernverkehr als auch im Regionalverkehr. Dieser Streckenabschnitt gehört außerdem zu den besonders belasteten. Dabei ist vor allem der Stuttgarter Hauptbahnhof zentraler Verknüpfungspunkt zwischen Fern- und Nahverkehr der DB AG einerseits, sowie zwischen öffentlichem und Individualverkehr andererseits.“

Bereits mit der Verlegung des Zentralen Omnibusbahnhofs (ZOB) zum Flughafen in Leinfelden-Echterdingen verstießen die Verantwortlichen für S21 gegen diese Aussage. Die wenigsten Busreisenden wollen vom Bus ins Flugzeug umsteigen. Die Mehrzahl will ins Stuttgarter Stadtzentrum oder in die Bahn umsteigen.

Und wenn Sie nun planen, auch noch den Regionalverkehr aus dem Hauptbahnhof zu verbannen, so widerspricht das jeder Logik.

Glauben Sie allen Ernstes, dass Sie damit Anreize zum Umstieg vom privaten PKW auf umweltfreundliche öffentliche Verkehrsmittel schaffen? Ein weiteres Argument für das Festhalten am eigenen PKW dürften auch die in diesem Jahr wieder deutlich steigenden Fahrpreise im VVS und anderen Verkehrsverbünden sein.

Unsere Regierenden in Stuttgart und Berlin (Sie inbegriffen) schwätzen oft und viel über Klimaschutz, lassen jedoch Taten vermissen.

So sinnfreie Großprojekte wie Stuttgart 21, die unwirtschaftliche Neubaustrecke nach Ulm, der Fehmarnbelt-Tunnel und viele andere werden den Klimawandel weiter vorantreiben statt ihn zu bremsen. Allein der Energieverbrauch wird mit Stuttgart 21 um ein Mehrfaches ansteigen. Grund dafür sind die überdurchschnittlich großen Steigungen in den im Querschnitt verengten Tunneln (Erhöhung des Luftwiderstandes auf das Doppelte bis Dreifache), Aufzüge, Rolltreppen, ganztägige Beleuchtung und Belüftung des Tiefbahnhofs und andere Faktoren.
Aber das muss ich Ihnen ja nicht erzählen, da Sie ja selbst diesen Standpunkt vertreten haben, als Sie zwischen 2009 und 2011 auf den Montagsdemos gegen Stuttgart als Redner aufgetreten sind.

Da ist es schon eine fragwürdige Denkweise, wenn Sie jetzt ernsthaft planen, den Regionalverkehr vom Fernverkehr räumlich zu trennen.

Dabei gibt es unter dem Begriff „Umstieg 21“ Lösungen für diese Misere. Leider aber sind weder Bahn, noch Politik (Sie inbegriffen) gewillt, nach sinnvollen Lösungen zu suchen.

Was den Steuerzahlern und Bahnkunden angeboten wird, sind lediglich Notlösungen, die den Bahnbetrieb im Großraum Stuttgart mit Ach und Krach am Laufen halten sollen. 
Mit Mobilitätswende hat das nichts zu tun. Einzige Gewinner dieser Politik sind die Baukonzerne und dubiose mafiöse Strukturen (nachzulesen im Buch „Mafia“ von Petra Reski).

In der Klimapolitik unterscheiden sich leider auch die Grünen nicht mehr von den anderen „Volksparteien“.

Mit enttäuschten Grüßen

Peter Müller

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