Verstoßen Bahn-Miliarden gege EU-Recht?

Von Thomas Wüpper10. November 2019 -17:52 Uhr

Die Wettbewerber des größten deutschen Staatskonzerns warnen die Koalition vor einer rechtswidrigen Beihilfe. Derweil fährt die größte Güterbahn Europas weiter in die Krise.

Die Bahn wird für die Bundesregierung zusehends zum Problemfall. Foto:

-Die Deutsche BahnAG wird für die Bundesregierung zusehends zum massiven Problemfall. Neben der Eskalation in der Führungskrise droht nun eine EU-Klage wegen beabsichtigter Finanzhilfen von elf Milliarden Euro für den klammen Staatskonzern. Zudem fährt Europas größte Frachtbahn DB Cargo weiter tief in denroten Zahlen. Allein im Oktober fielen fast 6000 planmäßige Güterzüge aus.

Mehr zum Artikel

1.Dramatische AufsichtsratssitzungFührungskrise bei der Bahn eskaliert

2.Neue Frau im Vorstand der DB AGBVG-Chefin übernimmt Doppelfunktion bei der Bahn

Von den im Klimapaket der Bundesregierung festgelegten Milliarden für die Deutsche Bahn darf aus Sicht der Wettbewerber nicht ausschließlich der Staatskonzern profitieren. Das Netzwerk Europäischer Eisenbahnen (NEE) sowie der Interessenverband Mofair wollen deshalb die EU-Kommission darüber informieren. Die Wettbewerber der Bahn sehen die Eigenkapitalhilfe des Bundes von elf Milliarden –jährlich 1000 Millionen bis 2030 –als massive Wettbewerbsverzerrung, die gegen EU-Recht verstoße. Das bestätigt ein Rechtsgutachten, das die Bahnverbände Mofair und NEE in Auftrag gegeben haben, das unserer Zeitung vorliegt und an diesem Montag in Berlin vorgestellt wird. DasUrteil der Juristen: „Die geplante Kapitalerhöhung ist nicht vereinbar mit dem Binnenmarkt.“ Die spezialisierte Anwaltskanzlei CMS Hasche Sigle stellt fest, dass bereits der beabsichtigte Beschluss des Bundestags zum Nachtragshaushalt 2020, in dem die erste DB-Milliarde enthalten ist, problematisch wäre.

Konkurrenten sprechen von Wettbewerbsverzerrung

Die Finanzspritzen für den Ex-Monopolisten würden den Wettbewerb massiv und unfair verzerren, warnen die DB-Wettbewerber im Güter-, Regional-und Fernverkehr. Verkehrsminister Scheuer habe Schreiben nicht beantwortet, was genau geplant sei. Die Branche und Bahnexperten fordern, die Finanzhilfen nur streng zweckgebunden und kontrolliert für die Modernisierung der Infrastruktur zu vergeben, was allen Anbietern nutze. Eine Kapitalspritze dagegen könne der Konzern auch verwenden, um neue Züge zu kaufen, während DB-Konkurrenten ihre Fahrzeuge selbst bezahlen müssen und keine Hilfe vom Staat bekommen.

DB-Wettbewerber könnten daher Beschwerde wegen der Beihilfe bei der EU-Kommission erheben, heißt es in dem Rechtsgutachten. Zudem könne bei Gericht auf Unterlassung geklagt werden. Dem Vernehmen nach werden in der Branche bereits Klagen vorbereitet. In der Koalition von Union und SPD sorgen weitere Entwicklungen für Unruhe. Das operative Geschäft bei DB Cargo läuft weiter mehr als holprig. Allein im Oktober fiel die Rekordzahl von 5855 Zügen aus. Das bestätigte die Bundesregierung dem FDP-Abgeordneten Christian Jung in einer Stellungnahme, die unserer Zeitung vorliegt. Demnach standen an 15 Tagen jeweils mehr als 200 Züge still, Ziel sind nicht mehr als 70 bis 80 abbestellte Transporte. Am 31. Oktober fiel gar die Rekordzahl von 356 Zügen aus, wie der Bahn-Beauftragte Enak Ferlemann schreibt. Sondersitzung des DB-AufsichtsratsDie Ausfälle seien noch schlimmer als befürchtet und eine „ökonomische und ökologische Katastrophe“, sagte FDP-Verkehrsexperte Jung unserer Zeitung. Die DB verliere immer mehr Kapazität und Kundenvertrauen. Der Lkw-und Schiffsverkehr könne die fehlenden Züge kaum noch kompensieren. Die Folge könnten Versorgungsengpässe bei Gütern und Rohstoffen sein wie schon bei der wochenlangen Sperrung der Rheintalstrecke bei Rastatt. In einer weiteren Sondersitzung des DB-Aufsichtsrats will die Bundesregierung am 18. November die Abberufung von Finanz-und Logistik-Vorstand Alexander Doll durchsetzen. Vorigen Donnerstag war die Entlassung amWiderstand der Arbeitnehmervertreter im mitbestimmten Kontrollgremium gescheitert. Doll wird dafür verantwortlich gemacht, dass sich der Verkauf der britischen Bustochter Arriva verzögert, der mehrere Milliarden Euro bringen und die riesigen Finanzlöcherverringern soll. Scheuer und Aufsichtsratschef Michael Odenwald forderten den langjährigen Investmentbanker, der erst vor zwei Jahren zum Konzern kam, persönlich zur Unterzeichnung des vorgelegten Aufhebungsvertrags auf, was Doll beide Male ablehnte. Der 49-jährige Manager will seine Arbeit fortsetzen, offen ist, ob er auch ein erhöhtes Abfindungsangebot verweigert.Gewerkschaften stärken Manager den RückenBei den Gewerkschaften EVG und GDL hält man die Vorwürfe gegen Doll für vorgeschoben, viele sehen ihn als Mann der Zukunft. Der Manager leiste gute Arbeit, habe als Finanzvorstand neue Hybridanleihen für den mit 25 Milliarden Euro hoch verschuldeten Staatskonzern organisiert und stelle die lange von DB-Chef Richard Lutz geführte Sparte neu auf. Zudem habe er in seiner erst kurzen kommissarischen Zuständigkeit für die komplexe Fracht-und Logistiksparte der Regierung die eigentlichen Probleme beim Güterverkehr auf der Schiene aufgezeigt.
Dieser Beitrag wurde unter Aktion veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.