Sehr geehrter Herr Dr. Wissing,
mit großem Interesse habe ich in den letzten Tagen verfolgt, mit welchen Maßnahmen Bahn und Politik die Bahn attraktiver und leistungsfähiger machen wollen.Falls man es damit wirklich ernst meint, dann fehlt allerdings ein ganz wichtiger Punkt:Seit Jahren investiert die DB AG horrende Summen in windige, meist verlustreiche Auslandsgeschäfte (Busverkehr auf Malta, Tren Maya in Mexiko, …). Da die Bahn selbst hoch verschuldet ist und keine Gewinne erwirtschaftet, zahlt diese Geschäfte der Staat und damit auch ich als Steuerzahler.Weder die Aufsichtsräte, noch die Politik unternehmen etwas gegen diese Verschwendung von Steuergeldern.Selbst innerhalb von Deutschland zahlt die DB für Leistungen, die nicht zu ihren Aufgaben gehören. Warum zum Beispiel muss ein Bus (IC-Bus) von Berlin nach Hamburg fahren und warum ist Prag von Nürnberg aus nicht direkt mit der Bahn erreichbar? Auch hier muss ich mich in einen von der DB betriebenen Reisebus quetschen, obwohl eine Bahnfahrt viel angenehmer und kundenfreundlicher wäre.Und warum verkehren auf der „Sachsen-Magistrale“ über die Großstadt Chemnitz keine Fernzüge mehr? Chemnitz ist übrigens 2025 Kulturhauptstadt Europas und bis dahin hoffentlich wieder ans Fernverkehrsnetz angeschlossen.Die Probleme der Deutschen Bahn AG hat man offensichtlich zumindest teilweise erkannt. Was ich vermisse sind allerdings Aussagen zu geplanten und derzeit im Bau befindlichen Großprojekten, die Milliarden Euro binden, die anderswo dringend gebraucht würden. Allein STUTTGART 21 wird am Ende wohl 15 Mrd. € oder mehr kosten und dennoch zu einem Engpass im Südwesten führen. Französische TGV können den Tiefbahnhof aus technischen Gründen nicht anfahren und werden daher wohl über Würzburg nach München fahren. Die SBB ist gerade dabei, ihre Fahrten nach Stuttgart dauerhaft einzustellen.Außerdem ist noch nicht geklärt, ob STUTTGART 21 nach seiner Fertigstellung (wann auch immer!) eine Betriebserlaubnis erhält. Ich erinnere nur an den BER, der erst 7 Jahre nach dem ursprünglich geplanten Eröffnungstermin seinen Betrieb aufnehmen konnte. Dort allerdings waren Nachbesserungen möglich. In Stuttgart dürfte es jedoch weitaus schwieriger werden, zum Beispiel breitere Fluchtwege in den Tunneln anzulegen. Hierfür müsste man im Prinzip alle Tunnel neu und damit größer bauen. Finanziell hieße das, nochmals mindestens 15 MRD. € in das Projekt fließen zu lassen.Aber auch das würde die Leistungsfähigkeit von S21 nicht erhöhen. Wärend die SBB zum Beispiel den Bahnhof erweitert und mehr Gleise anlegt, wird die Zahl der Gleise in Stuttgart dauerhaft um mehr als die Hälfte reduziert.“Der Fisch stinkt vom Kopf her“ heißt ein altes Sprichwort. Dies trifft auch auf die Probleme der DB AG zu. Es ist schwer zu glauben, dass die gleichen Personen im Vorstand und Aufsichtsrat die Bahn retten sollen, die sie jahrelang gegen die Wand gefahren haben.Auch unter Bahnchef Richard Lutz wurde das Schienenetz der DB AG weiter zurückgebaut und somit anfälliger gemacht. Noch 2021 wurden Strecken stillgelegt und Weichen demontiert.Wie soll man dann glauben, dass Richard Lutz, Berthold Huber, Martin Seiler und all die anderen, die Ihnen ja bestens bekannt sein sollten, ausgerechnet jetzt die Bahn retten könnten?Wenn man diesen Leuten Geld in die Hand gibt, so besteht die große Gefahr, dass sie es wieder im Ausland anlegen, anstatt das deutsche Schienenetz zu sanieren und auszubauen.Es geht also weniger darum, wieviel Geld die Bahn vom Bund bekommt sondern darum, was sie mit dem Geld macht.Zum Abschluss möchte ich noch einige Zugbegleiter zitieren, die ihren Unmut über die Verhältnisse bei der DB nicht verschweigen:“Heute geht es wieder drunter und drüber, fragen sie uns deshalb lieber nicht. Wir haben auch nicht mehr Infos als sie.““Das Chaos-Team der Deutschen Bahn verabschiedet sich. Wir hoffen, wir konnten den schlechten Eindruck festigen, den sie von uns haben.“Mit derartigen Zugdurchsagen wurden mittlerweile ganze Bücher gefüllt, die im Handel erhältlich sind.Wenn sich daran etwas ändern soll, dann brauchen wir Eisenbahner mit Sachverstand im Vorstand der Bahn.Allein, dass die Vorgänder von Herrn Lutz alle aus dem Hause Daimler kamen, lässt tief blicken. Auch dass Ex-Bahnchef Rüdiger Grube heute einen hoch bezahlten Beratervertrag bei Herrenknecht hat, hat ein „G’schmäckle“, wie der Schwabe sagt. Von Roland Pofalla möchte ich erst gar nicht sprechen.Zusammenfassend möchte ich erhebliche Zweifel darüber äußern, dass derzeit tätige Bahnvorstände und Politiker die Lage der DB in den Griff bekommen. Solange Bahnvorstände ihre Bonuszahlungen (wofür eigentlich?) mehr interessieren als ein intaktes und leistungsfähiges Schienenetz, habe ich keine Hoffnung auf Verbesserungen.Vielleicht überzeugen Sie mich vom Gegenteil?
Mit besorgten GrüßenPeter Müller (begeisterter Bahnfahrer – wenn sie denn fährt) ________________________