Sensationelles „Klimaurteil“ aus Wien – Feinstaub- / CO2-Belastung in Stuttgart

Nachfolgend eine Pressemitteilung und eine dazugehörende Stellungnahme zu einem Urteil aus Wien das nichts mit Stuttgart 21 zu tun hat. Aber Stuttgart 21 könnte es genauso ergehen.

Bundesverwaltungsgericht Wien

Dritte Piste des Flughafens Wien-Schwechat darf nicht gebaut werden Aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes steht die hohe CO2-Belastung den positiven Aspekten entgegen – vor 10 Jahren eingereichtes Projekt ist für das BVwG nicht genehmigungsfähig.

Das Bundesverwaltungsgericht teilt mit, dass der Antrag zur Errichtung und zum Betrieb der geplanten dritten Start- und Landebahn am Flughafen Wien-Schwechat abgewiesen wurde. Die Ermittlungsergebnisse der Behördenentscheidung des vor zehn Jahren eingereichten Projektes wurden im Zuge des Beschwerdeverfahrens durch das Bundesverwaltungsgericht einer neuerlichen umfassenden Überprüfung unter Beiziehung von Sachverständigen unterzogen.

Der zuständige Senat, bestehend aus drei Richtern, hat nach detaillierter Prüfung und Abwägung der öffentlichen Interessen entschieden, dass das öffentliche Interesse am Schutz vor den negativen Folgen des Klimawandels, insbesondere durch die hohe CO2-Belastung, höher zu bewerten ist als die positiven öffentlichen (standortpolitischen und arbeitsmarktpolitischen) Interessen an der Verwirklichung des Vorhabens samt zusätzlichem Bedarf.

Durch den Bau der dritten Piste am Flughafen Wien-Schwechat und dem damit erhöhten Flugverkehr würden die Treibhausgasemissionen Österreichs deutlich ansteigen. Dies ergibt sich unter Berücksichtigung der Emissionen beim Start- und Landevorgang sowie dem Treibhausgasausstoß nach Erreichen der Flughöhe. Aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes ist diese hohe zusätzliche CO2-Belastung gegenüber den positiven Aspekten des Vorhabens nicht zu rechtfertigen.

Der Richtersenat setzte sich mit Beschwerden von insgesamt 28 unterschiedlichen Beschwerdeführerinnen und Beschwerdeführern auseinander (Privatpersonen, Bürgerinitiativen sowie der Stadt Wien) und prüfte die verschiedenen standortpolitischen und arbeitsmarktpolitischen Aspekte, den Bedarf aufgrund der steigenden Flugbewegungen sowie die Frage der Flugsicherheit im Rahmen des Beschwerdeverfahrens. Es wurde eine dreitägige mündliche Verhandlung durchgeführt und insgesamt sieben umfangreiche Sachverständigen-Gutachten (Luftschadstoffe, Lärmschutz, Vogelkunde, Umwelthygiene, Verkehrsplanung, Treibhausgasemissionen und Bedarfsplanung) in Auftrag gegeben.

Mitberücksichtigt wurden bei dieser Entscheidung, dass die Grundrechte-Charta der Europäischen Union, die österreichische Bundesverfassung und die niederösterreichische Landesverfassung dem Umweltschutz und insbesondere dem Klimaschutz einen hohen Stellenwert einräumen und Österreich sich international und national zur Reduktion der Treibhausgasemissionen verpflichtet sowie im Rahmen des Klimaschutzgesetzes sektorale Emissionshöchstmengen bis 2020 festgelegt hat. Die Möglichkeiten des Flughafens, den CO2-Ausstoß durch eigene Maßnahmen zu verringern (wie etwa die Installation von Solar- bzw. Photovoltaik-Anlagen oder etwa die Umstellung der Wagenflotte auf Elektro-Autos) waren nicht ausreichend.

Grundsätzliche Rechtsfragen haben sich in dem Verfahren nicht gestellt, eine ordentliche Revision wurde daher nicht zugelassen.

Das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes ist auf der Website des BVwG unter www.bvwg.gv.at abrufbar.

Rückfragehinweis:
Bundesverwaltungsgericht
Mag. Dagmar Strobel-Langpaul
Tel.  +43 1 60 149 – 152212
E-Mail: dagmar.strobel-langpaul@bvwg.gv.at

 

Der Verfasser dieser Stellungnahme wurde seitens des Vereins AFLG (Antifluglärmgemeinschaft, Verein gegen entschädigungslose Grundentwertung durch Flugverkehr, ZVR 481863180 und anerkannte Umweltorganisation gem. § 19 Abs. 7 UVP-G 2000) ersucht, im Rahmen des Beschwerdeverfahrens am Bundesverwaltungsgericht(BVwG) der Republik Österreich, zur Umwelt – und Klima– Verträglichkeit des Projekts der 3. Piste am Wiener Flughafen Stellung zu nehmen.

Stellungnahme für das Projekt der 3. Piste des Flughafens Wien- Schwechat Hans-Josef Fell Präsident der Energy Watch Group Mitglied des Deutschen Bundestages von 1998 – 2013

Eine Abschätzung aus den Einreichunterlagen der Flughafen-Wien AG zeigt, dass dieses Projekt, zusammen mit den übrigen Ausbauten am Flughafen, die jährlichen klimawirksamen Treibhausgasemissionen (THG-E) um einige Millionen Tonnen (mio t) in die Höhe treiben würde. Das wäre vom Basisjahr (2003) bis zum Jahr 2025 gerechnet ein Anwachsen auf das ca. 2,8-fache, (M. Bayerl und B. Buschbeck, „Die geplante 3. Piste am Flughafen Wien-Schwechat ist im Widerspruch zu den Klimazielen der EU“, eingebracht beim BVwG von der AFLG am 5.5. 2015, basierend auf der Umweltverträglichkeitserklärung der FWAG, Fachbeitrag Klima, UVE 02.420, Rev.01, 18.01.2008, sowie Rev.05, ergänzende Unterlagen Kapitel 4.18. Klima“ vom 20.07.2010 ). Die Ergebnisse der Berechnungen der Flughafen Wien AG liegen weit unterhalb dessen, was tatsächlich als zusätzliche Emissionen infolge der Erweiterung des Flughafens verursacht werden würde. Der Ansatz, dass die Emissionen eines in Wien-Schwechat startenden oder landenden Flugzeuges nur bis zu einer Flughöhe von 915 Metern angerechnet werden, ist irreführend und führt zu weit geringeren Emissionen, als tatsächlich durch die Erweiterungen verursacht werden. Angemessen wäre stattdessen ein Berechnungsmaßstab, der die in Wien-Schwechat getankten Kerosinmengen zugrunde legt, so wie es auch im Straßenverkehr üblich ist. Dort werden die in einem Land getankten Treibstoffmengen zugrunde gelegt, um die von diesem Land im Straßenverkehr emittierten Emissionen zu ermitteln. Diese Emissionssteigerung ist für Österreich erheblich und widerspricht völlig den Klimaschutzverpflichtungen, die Österreich sowohl in der EU als auch mit der Zustimmung zum Weltklimavertrag in Paris im Dezember 2015 eingegangen ist. Österreich hat sich verpflichtet, die EU Emissionsreduktionsziele bis zum Jahre 2030 bzw. 2050 zu erfüllen. Eine Erhöhung der Emissionen, wie dies unweigerlich mit dem Bau der dritten Piste verbunden ist, widerspricht diesen Verpflichtungen diametral. In Paris wurde zudem mit Zustimmung Österreichs beschlossen, die Erderwärmung möglichst schon bei 1,5°C zu stoppen. Damit sind selbst die bisherigen Reduktionsziele der EU nicht mehr tragfähig. Wesentlich ambitioniertere Emissionsreduktionen müssen nun angestrebt werden. Erst kürzlich hat das New Climate Institut für Deutschland berechnet, was dies bedeutet. Die Ergebnisse sind auf Österreich übertragbar. (http://www.greenpeace.de/files/publications/160222_klimaschutz_paris_studie_02_2016_fin_neu. pdf) Ab 2035 darf es weltweit keine Klimagasemissionen mehr geben. Industrienationen wie Österreich müssten daher bereits ab 2030 eine Nullemissionswirtschaft verwirklichen. Dies bedeutet, dass z.B. der besonders emissionsstarke Energiesektor spätestens 2030 auf 100% Erneuerbare Energien umgestellt werden muss – wohlgemerkt in allen Energiesektoren, also auch im Verkehrssektor und dem Flugverkehr. Es sind insbesondere im emissionsstarken Flugverkehr keine Maßnahmen erkennbar, wie Österreich dies schaffen will. Im Gegenteil: mit dem Bau der dritten Piste am Wiener Flughafen wird Österreich seine Klimagasemissionen sogar stark erhöhen und konterkariert damit völlig die selbst eingegangenen Klimaschutzverpflichtungen. Dabei sind nicht nur die Klimaschutzziele, die Österreich in der EU eingegangen ist, völlig unzureichend, um das 1,5°C – aber auch das 2°C-Ziel – einzuhalten. Neuere Klimaforschungen zeigen, wie schon in den vergangenen Jahren, dass der Weltklimarat immer wieder die tatsächliche Klimaentwicklung unterschätzt. So haben australische Forscher der Universitäten Queensland und Griffith erklärt, dass sich nach ihren Prognosen das Klima schneller aufheizt als erwartet. Bis zum Jahr 2020 sei ein Temperaturanstieg bis zum Pariser Ziel von 1,5°C möglich und ab 2030 könnten bereits zwei Grad erreicht sein (Frankfurter Rundschau, 17.03.2016). Gestützt wird diese Vorhersage durch die Hiobsbotschaft der US-amerikanische Ozean- und Atmosphärenbehörde NOAA, wonach innerhalb eines Jahres, von Februar 2015 auf Februar 2016, die CO2-Konzentration von 400,25 ppm (parts per million) auf 404,02ppm sprunghaft gestiegen ist, in den Jahren zuvor lag das Plus jeweils bei etwa 2,2 ppm ( http://www.noaa.gov/record-annual-increase-carbon-dioxide-observed-maunaloa-2015, und https://scripps.ucsd.edu/programs/keelingcurve/2016/03/10/record-annual-increaseof-carbon-dioxide-observed-for-2015/ ) Diese dramatische Klimaentwicklung und die Pariser Beschlüsse brauchen neue Antworten, die die Österreichische Regierung bis heute nicht liefert. Das Mindeste muss sein, dass ab sofort jegliche Investitionen in Maßnahmen, die den Ausstoß von Klimagasen erhöhen, zu stoppen sind. Der Bau der dritten Piste am Flughafen Wien-Schwechat ist weder mit den in Wien eingegangenen Klimaschutzverpflichtungen Österreichs vereinbar, noch mit einer vorsorglichen Handlungsweise, die die größten Gefahren, die vom Klimawandel ausgehen, auch nur annähernd abwehren können. Dabei haben die heutigen Auswirkungen der Erderwärmung bei aktuell 1°C bereits erhebliche störende Auswirkungen auf das Zusammenleben der Menschheit, die auch Österreich bereits erheblich treffen (Der Österreichische Sachstandsbericht Klimawandel 2014, Austrian Panel on Climate Change (APCC ), http://hw.oeaw.ac.at/Autorenbuch_deutsch.pdf ). So ist der Klimawandel verantwortlich für die zunehmende Zerstörung von menschlichen Lebensräumen durch rasant zunehmende, klimabedingte Wetterextreme und den Meeresspiegelanstieg, weshalb weitere zig Millionen Menschen aus ihren Heimatländern flüchten werden müssen. Die europäische Flüchtlingskrise hängt daher über die Fluchtursachen auch mit dem zunehmenden Klimawandel zusammen. Starkregenereignisse und Dürreperioden, Gletscherschmelzen und andere Naturkatastrophen werden ohne Klimaschutz auch in Österreich in den nächsten Jahren und Jahrzehnten erheblich schlimmere Ausmaße annehmen. Zudem wird die durch die dritte Piste des Wiener Flughafens angefachte zusätzliche Nachfrage nach Kerosin weiter zunehmende kriegerische Spannungen im Kampf um die knappen Erdölressourcen auslösen. Gerade die Erdöleinnahmen gelten als Haupteinnahmequellen für Terrorgruppen und kriegführende Parteien. Der Ausbau der dritten Piste des Wiener Flughafens Wien-Schwechat ist daher weder aus klimanoch aus friedenspolitischen Gründen verantwortbar.

Hammelburg, den 11. April 2016 Hans-Josef Fell Am Rod 8 D-97762 Hammelburg Mitglied des Deutscher Bundestages von 1998 -2013, ehemals energiepolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen und Autor des EEG Entwurfes 2000. fell@hans-josef-fell.de www.hans-josef-fell.de

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