Bürger Peter Müller an den DB Vorstandsvorsitzenden Lutz

Sehr geehrter Herr Dr. Lutz,
mit großem Interesse habe ich gelesen, was Sie der Stuttgarter Zeitung über die derzeitige allgemeine Lage der Deutschen Bahn AG und über Stuttgart 21 sagten (https://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.interview-mit-bahn-chef-richard-lutz-eine-bessere-bahn-gibt-es-nicht-zum-nulltarif.1b3fcf44-2a15-43ef-a428-7777e76b550f.html?reduced=true).
Unter anderem wird dieses Jahr mit einem Rückgang des Gewinns gerechnet und Sie haben auch gleich die passenden Entschuldigungen parat. So begründen Sie den Gewinnrückgang damit, dass das Personal aufgestockt wurde. Allerdings hat die DB in den vergangenen Jahren massenhaft Personal abgebaut, was sich heute rächt.
Viele Positionen und Arbeitsplätze bei der Bahn verlangen gut ausgebildetes Personal, das nun erst wieder für sehr viel Geld geschult werden muss. Dieses Problem kommt aber nicht von irgendwo – es ist hausgemacht.
Als zweiten Grund für mangelnde Gewinne führen Sie hohe Investitionen in die Infrastruktur an. Aber auch dieses Problem ist größtenteils vom Schienenkonzern selbst verursacht, weil Ihre Vorgänger einem krankhaften Sparzwang folgten und die Infrastruktur verkommen ließen.
Nun sind die Schäden bei der Infrastruktur mittlerweile so groß, dass sie richtig viel Geld kosten.
Dazu kommen noch die horrenden und ständig steigenden Ausgaben für unnütze Prestigeprojekte wie zum Beispiel Stuttgart 21.
Überhaupt hat die Bahn in den letzten Jahrzehnten massiv Infrastruktur zurückgebaut, wie zum Beispiel Überhol- und Ausweichgleise. Viele Nebenstrecken wurden stillgelegt und die angeblich so umweltfreundliche Bahn setzt eigene Omnibusse als Ersatz ein.
Während dies geschah, waren Sie bereits in leitender Position bei der DB tätig und sind somit mitverantwortlich für diese Fehlentscheidungen des Konzerns.
Nun versuchen Sie eine 180°-Wendung, deren Finanzierung jedoch in den Sternen steht. Und Verkehrsminister Scheuer steckt ein Vielfaches an Steuermitteln in den Ausbau von Autobahnen und Bundesstraßen, statt den Schienenverkehr wirklich zu fördern.
Außerdem vergessen Sie anscheinend, dass die Deutsche Bahn AG eine Aktiengesellschaft ist und kein Staatsbetrieb, den der Staat finanzieren muss. So toll war die Idee mit der Privatisierung der DB also wirklich nicht.
Auch die erwarteten Fahrgastzahlen sind trügerisch. So fahren viele Leute mit der DB, wenn es preisgünstige Angebote bei Lidl, Aldi & Co. gibt oder nutzen die Supersparangebote der DB. Ferrero- und Nutellagutscheine ergänzen das Angebot.
Für 19 € fährt man gern von Stuttgart nach Berlin. Wenn aber eine Fahrt dagegen auf dieser Strecke in der zweiten Klasse 153 € kostet, dann weichen die Reisenden lieber auf Billigflüge, Flixbus, den privaten PKW oder Mitfahrzentralen aus.
Was nützt also der Fahrgastzuwachs, wenn die Kasse leer bleibt?
Zum Thema Pünktlichkeit im Personen-und Güterverkehr versprechen Sie baldige Besserung.
Wenn ich aber sehe, wo überall gebaut wird und noch werden soll, bekomme ich heftige Zweifel an Ihrer Aussage. Abgesehen davon, dass ausgefallene Züge in keiner Pünktlichkeitsstatistik aufgeführt werden, ist doch jedem Bahnfahrer klar, dass Baustellen zu Umleitungen oder zumindest Langsamfahrstellen führen. Wie wollen Sie gleichzeitig bauen und pünktlicher werden?
Zunächst sollte sich die Bahn auch von ihrer bisherigen Strategie trennen, Bahnhöfe, Brücken und Gleisanlagen so verkommen zu lassen, dass irgendwann nur noch ein Neubau hilft. Natürlich ist es für den Bahnkonzern ein Riesengeschäft, wenn der Staat Neubauten bezahlt, während Reparaturen und Instandhaltung von der Bahn zu finanzieren sind. Diese Politik ist grundverkehrt und hat mit zu dem geführt, was wir heute haben.
Nun planen ja Bahn und Bund in Deutschland einen sogenannten Deutschlandtakt einzuführen. Das klingt zunächst gut, fordert aber an vielen Bahnknoten eine Erweiterung der Gleisanlagen.
In Stuttgart bleibt es aber in Zukunft bei 8 unzulässig schrägen Gleisen. Für einen integralen Taktfahrplan nach Schweizer Vorbild sind aber nach Berechnungen von Fachleuten mindestens 14 Gleise nötig. Wegen der Fehlplanung des Stuttgarter Hauptbahnhofs bleibt also die Landeshauptstadt auf der Strecke. Sieht so Zukunft aus?
Damit wären wir wieder beim leidigen Thema Stuttgart 21.
Sie sagten gegenüber der Stuttgarter Zeitung, dass Sie keine Kostenerhöhung und keinen zeitlichen Verzug bei Stuttgart 21 erwarten. Wie oft haben wir das von Ihrem Vorgänger Grube gehört! Dabei waren Sie ja selbst seit 2003 oberster Finanzcontroller bei der Bahn und sollten wissen, dass die vollmundigen Versprechungen Ihres Vorgängers keinen Pfifferling wert waren.
Und nun hören wir von Ihnen die gleichen Versprechen.
Dabei kämpft die Bahn im Stuttgarter Untergrund mit Wassereinbrüchen, Feuer, Fehlplanungen und Wasser im Anhydrit. Im Stuttgarter Kernerviertel lässt die DB ein Wohnhaus abreißen, das durch Prof. Wittkes Hebungsinjektionen im Untergrund irreparable Schäden erlitt. Weitere Häuser in der Nachbarschaft zeigen ebenfalls bereits Risse.
Dabei steht den Mineuren aber der schwierigste Abschnitt des Tunnels mit weniger als 6 m Überdeckung zu den Wohngebäuden erst noch bevor.
Und auch auf dem Killesberg und dem Kriegsberg zeigen sich immer mehr Schäden an den Häusern, unter denen die Tunnel verlaufen.
Für den Abstellbahnhof in Untertürkheim wurde nun die vierte Planung zur Genehmigung vorgestellt, nachdem die Bahn vorher drei Pläne selbst verworfen hat.
Und für die Flughafenanbindung hat die Bahn noch nicht einmal genehmigungsfähige Planungen vorgelegt.
Dabei hieß es noch vor kurzer Zeit, Stuttgart 21 sei das bestgeplante Projekt aller Zeiten und führende Vertreter der Projektgesellschaft Stuttgart – Ulm sagten „Hier sind doch keine Idioten am Werk“.
Diese Aussage ist zu bezweifeln, denn allein schon die Tatsache, dass man die Zahl der Gleise mehr als halbiert und dann 100% mehr Verkehr verspricht ist ein Witz.
Aber auch bei technischen Fragen waren wohl nicht die hellsten Köpfe tätig. Im Obertürkheimer Tunnel strömen seit gut einem Jahr Unmengen Wasser ein, was die Planer der DB in Erstaunen versetzte. Mit solchen Mengen habe man nicht rechnen können. Dabei berichten Anwohner und nicht von der Bahn bezahlte Geologen seit Jahren, dass das Gelände in diesem Bereich äußerst schwierig sei, weil dort das frühere Flussbett des Neckars verlief, welches nach dessen Begradigung aufgefüllt wurde.
Wer als Finanzfachmann anbetracht dieser massiven Probleme noch behauptet, es werde keine weiteren Kostensteigerungen geben, ist nicht glaubwürdig.
Und noch etwas zum Thema Geld:
Dass die DB AG durch den Verkauf von Arriva wohl nicht die gewünschte Summe bekommen wird, ist immer wieder in den Medien zu erfahren.
Dabei könnte die Bahn mehr Geld investieren, wenn sie sich auf Ihre eigentliche Aufgabe konzentrieren würde. Eigentlich sagt der Name „Deutsche Bahn“ doch schon alles. Die Bahn muss Ihre geschäftlichen Aktivitäten auf den Schienenverkehr in Deutschland konzentrieren und nicht in aller Welt LKW, Busse und sogar Flugzeuge betreiben. Bestes Beispiel für derartige Fehlinvestitionen war ja der Kauf der Busunternehmen auf Malta.
Jetzt bettelt die Bahn wieder beim Staat um Geld. Wer garantiert aber dann, dass die 5 Mrd. €, die Sie bis 2023 fordern, nicht wieder ins Ausland oder in den Infrastrukturrückbau Stuttgart 21 wandern statt in eine flächendeckende Infrastruktur?
Und die fehlenden rund 3,3 Mrd. € (bis jetzt!) wollen Sie aus Eigenmitteln finanzieren – bei 20 Mrd. € Schulden? Ach ja, da ist ja auch noch die höhere Verschuldung, die Sie nannten.
Es ist sicher recht einfach, Schulden zu machen, wenn man sie nicht persönlich zurückzahlen muss!
Sie nennen diese Neuverschuldung dann auch noch „auf dem Gaspedal bleiben“ – ich nenne es Betrug am Steuerzahler!
Und das ist ein Verbrechen!
Schließlich sind es nicht Ihre Milliarden, über die Sie so leichtfertig verfügen und die Sie für ein den Bahnverkehr schädigendes Projekt „finster entschlossen“ vergraben wollen.
Haben Sie übrigens schon einmal darüber nachgedacht, dass der Betrieb von Stuttgart 21 mit seinen vielen Tunneln sehr viel teurer sein wird, als der Betrieb eines ertüchtigten Kopfbahnhofs?
Wo wollen Sie das Geld dafür hernehmen? Auch vom Steuerzahler?
Sie selbst sagten wie auch Ihr Vorgänger Grube, dass das Projekt Stuttgart 21 unwirtschaftlich sei. Indem Sie für dieses unwirtschaftliche Projekt, das man auch ruhig Murks nennen kann, weitere Schulden aufnehmen wollen und Steuergeld vom Staat fordern, machen Sie sich nach Aktienrecht selbst strafbar.
Ist Ihnen das nicht bewusst? Als Vorstandsvorsitzender einer AG sollten Sie sich eigentlich mit Aktienrecht auskennen.
Alles in Allem kann ich nur sagen, dass mich Ihre Antworten auf die Fragen von Thomas Wüpper enttäuscht haben und dass ich daher auch keine rosigen Zeiten erkennen kann, denen die DB AG entgegengehen soll.
Sie versprechen eine Menge Sachen, die Sie nicht halten können, verschwenden Geld, das Ihnen nicht gehört für unnütze Großprojekte und machen sich so wie Ihre Vorgänger aus dem Staub (sicher mit hoher Abfindung), wenn es Ihnen zu brenzlig wird.
Das hatten wir alles schon mehrfach und könnten gern darauf verzichten.
Mit freundlichen Grüßen
Peter Müller
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