Massive Beschwerde gegen Verfahrenseinstellung bei Stuttgart 21
Kommt jetzt Strafverfahren gegen Bahnchefs wegen Untreue in Fahrt?
Bei Stuttgart 21, so sagen die Kritiker, steht die Demokratie in Gefahr. Hier werde
„verschwiegen, verdunkelt und verbogen, dass sich die Balken biegen zum Schaden aller“, so Eisenhart von Loeper, der Sprecher und Anwalt des Aktionsbündnisses gegen S 21. Erst im Zuge strafrechtlicher Gefechte komme neuerdings mehr ans Licht. Gerade erst hatte der Widerstand gegen das in gefährliche Turbulenzen verwickelte Bahnprojekt S 21 seine
fulminante 400. Montagsdemonstration mit bundesweiter Resonanz erlebt, da folgt der nächste Aufschlag:
Bündnissprecher Eisenhart von Loeper und Dieter Reicherter, der ehemalige Vorsitzende
Richter am Stuttgarter Landgericht, wollen es genau wissen: Sie haben jetzt nach Einsicht in die Ermittlungsakte ihre Beschwerde gegen die Verfahrenseinstellung an die Berliner
Staatsanwaltschaft eindringlich und akribisch auf 26 Seiten begründet und publik gemacht. Das Ermittlungsverfahren gegen ehemalige und amtierende Bahnvorstände (Grube, Kefer, Lutz, Pofalla) und ihren Aufsichtsratschef Felcht könnte also doch noch Fahrt aufnehmen. Und das hat schon im Vorfeld politisches Gewicht, denn sie wollen nichts Geringeres als die Polit-Prominenz bis hin zur Bundeskanzlerin in den Zeugenstand vor Gericht bringen, damit „die unzulässigen parteipolitischen Übergriffe auf den Bahn-Aufsichtsrat und der ganze Murks von S 21 transparent werden“.
Doch Schritt für Schritt:
Unbegreiflich pflichtwidriges Verfahren
Die beiden Anzeigeerstatter nehmen sich mit ihrer Beschwerde zuerst die zuständigen
Berliner Staatsanwälte vor, weil sie seit knapp einem Jahr ohne jegliche eigene Ermittlungen und ohne nachprüfbare inhaltliche Begründung die Stellungnahme der Deutschen Bahn AG abwarteten und das Verfahren einstellten sowie begründungslos Teile der Akten auf Wunsch der DB AG nicht ausfolgten, wie es an die Geheimjustiz früherer Jahrhunderte erinnert.Dieter Reicherter: „Ein solches Maß pflichtwidriger Kooperation mit dem geschädigten Bahnkonzern ist unbegreiflich“.
Business Judgement Rule, also straffrei?
Die Juristen wehren sich als S 21-Gegner im rechtsstaatlichen Interesse auch dagegen, dass die Bahn-Vorstände und deren Aufsichtsrat vor den schweren Finanzierungs- und
Funktionsmängeln permanent von Sitzung zu Sitzung ausweichen und den Bahnkonzern
durch den Weiterbau des Projekts pflichtwidrig in Höhe von vier oder fünf Milliarden Euro schädigen. Genau dies ist durch den Umstieg von S 21 sicher zu vermeiden, und deshalb ist die Bahn verpflichtet, das Projekt abzubrechen und umzusteuern. Freilich greift die Deutsche Bahn AG zu einer kessen Waffe: Der von ihr autorisierte Anwalt verlangt für die von ihm nicht vertretenen Beschuldigten die Verfahrenseinstellung, denn diese könnten gar nicht strafbare Untreue begehen. Nein, es gelte unternehmerisches Ermessen, die sogenannte
Business Judgement Rule. Dürfen Geschäftsleute also nahezu alles?
Verschweigen und Herrunterreden von Fakten
Loeper und Reicherter halten und begründen dagegen: Es gibt kein zulässiges Ermessen für schädliche Täuschungsmanöver: So geht es beim Weiterbau von Stuttgart 21 um jahrelanges „Verschweigen und Herunterreden von Fakten und Risiken“, wie es jetzt als „Kronzeuge“Hartmut Bäumer, der frühere grüne Amtschef des baden-württembergischen
Verkehrsministeriums ausdrückte. Hier haben Vorstände und Aufsichtsräte massiv
gesetzliche Informations- und Legalitätspflichten verletzt, die sie gemäß der
Beschwerdeschrift nach Aktienrecht und Strafrecht inne haben. Beispielhaft zu nennen sind: Der Bahn-Anwalt belastet seinen Auftraggeber selbst indirekt, als er zur drastischen
Verkleinerung des nur achtgleisigen, nicht erweiterungsfähigen Tiefbahnhofs gänzlich
schweigt. Umso mehr müsste die Pflichtwidrigkeit dieser Schädigung zu Lasten der
Stuttgarter Metropolregion strafrechtliche Konsequenzen haben. Und beim sechsfach
regelwidrigen Gleis- und Bahnsteiggefälle muss die Bahn gleichfalls schweigend eingestehen, dass sie den von ihr selbst gelieferten Erfahrungswerten – wiederkehrende Unfälle mit Verletzungen Bahnreisender bei weitaus geringerem Gefälle im Kölner Hauptbahnhof – nichts entgegen zu setzen hat. Die in der Beschwerde dargestellte Gutachtertätigkeit von Dr. Engelhardt im Verkehrsausschuss des Bundestages müsste auch die Staatsanwaltschaft beeindrucken. Und selbst gegenüber der bei Anhydrit im Tunnel durch eigenes Auftragsgutachten von KPMG/ Basler nachgewiesenen unüblich hohen Gefahrenlage hat die Bahn nichts gegenteilig Gleichwertiges entgegen zu setzen.
Hinweise in Dokumenten des Bundes für den Umstieg 21