Politik bei Linsen und Spätzla

Bericht über Wahlkampfveranstaltung mit Joachim Pfeiffer (CDU) in der Linde in Stetten
Mittwoch, 28. August 2013

Das Format funktioniert so, dass die Linsen und Spätzla von der CDU bezahlt werden (Spenden sind erwünscht, so Pfeiffer in der Einleitung), die Getränke müssen selbst bezahlt werden.
Als ich um 12 Uhr ankomme, ist der Saal schon gerammelt voll, ca. 120 Leute, meistens ältere, gesetzte Herrschaften und ein paar Wahlkampfhelfer von der Jungen Union. Alle werden von Dr. Kohl, dem Ortsvereinsvorsitzenden der CDU und später von Pfeiffer mit Handschlag begrüßt.

Dann hält Pfeiffer einen anderthalbstündigen Power-Point Vortrag mit sage und schreibe 50 Folien zur Wirtschaftsentwicklung, Arbeitslosen- und Beschäftigtenzahlen usw., sozusagen die Erfolgsbilanz der jetzigen Regierung. Die Folien sind aber so klein auf der Leinwand, dass überhaupt nichts zu erkennen ist. Für die hinteren Reihen gibt es allerdings Fotokopien der Folien, so dass es nachvollziehbar wäre, wenn mensch denn mit dem Redetempo von Pfeiffer beim Lesen mithalten könnte.
Während der Rede wird dann das Essen serviert.

Kurz vor halb zwei Uhr wird er dann schließlich von einem 81 Jahre alten Mann aus Grunbach unterbrochen, der ehrenamtlich im Pflegeheim schafft. Er steht einfach auf und fängt an zu reden bzw. halb zu schreien, weil anders kann mensch sich so weit hinten nicht bemerkbar machen.
Er erzählt, dass er ehrenamtlich im Pflegeheim arbeitet und dass die Situation dort immer schlimmer wird, weil sie zu wenig Personal haben und die Leute nicht ausreichend bezahlt werden. (Pfeiffer hatte sich in seiner Rede ausdrücklich gegen einen gesetzlichen Mindestlohn ausgesprochen). Außerdem erzählt der Mann von einer Bekannten, die in einer Maschinenbaufirma geschafft hat. Dort wurde sie entlassen und kam kurz darauf über eine Zeitarbeitsfirma an denselben Arbeitsplatz zurück, für die Hälfte des Lohnes, den sie früher hatte. Das könne doch nicht sein.
Während vorne schon die ersten „Aufhören“-Rufe von irgendwelchen Idioten kommen, reagiert Pfeiffer sehr routiniert auf den Einwurf und bietet dem Mann auch ein Gespräch bzw. einen Besuch in seinem Pflegeheim an bzw. dass er sich um den Fall mit der Frau kümmert, wenn er ihm weitere Details liefert.
Ich nehme den Faden dann auf und zitiere aus einer Untersuchung von VERDI, dass im Rems-Murr-Kreis fast 41.000 Beschäftigte unter 8,50 Euro verdienen. Das reicht nicht zum Leben und um eine Familie zu ernähren. Viele von denen erhalten Hartz IV Aufstockung, weil der Lohn nicht reicht. (Pfeiffer hatte davor in seiner Rede dieses Modell unter dem Stichwort „Kombilohn“ als vorbildhaft dargestellt.) Ich werfe ihm vor, dass er damit ein sozialistisches Modell propagiere: den Unternehmen bleiben die Gewinne durch die niederen Löhne, die gesellschaftlichen Folgen dieser Entwicklung (keine ausreichenden Zahlungen in die Sozialsysteme – der Aufstockungsbetrag ist nämlich nicht sozialversicherungspflichtig. Hinzu kommt die zu erwartende Altersarmut dieser „Kombilohn-Beschäftigten) werden sozialisiert.
Des weiteren weise ich darauf hin, dass die Lohn-Spirale immer weiter nach unten geht und empfehle ihm, doch mal auf die Baustelle vom Bürgerhaus in Rommelshausen zu gehen, wo polnische, litauische und russische Arbeiter von Sub-Sub-Unternehmen für 3 bis 4 Euro in der Stunde arbeiten müssen. (Zwischenruf von vorne, vermutlich von einem CDU-Gemeinderat: „Stimmt nicht“.) Und als letzten Punkt: wenn immer mehr junge Leute nur noch Werk- und Zeitverträge kriegen, können die keine Zukunftsplanung machen und keine Familie gründen.

Auf den Punkt Löhne auf dem Bau geht er gar nicht ein. Er betont noch mal, dass er ganz und gar gegen den Mindestlohn ist. Und bei der Zeitarbeit sei es so, dass von 42 Millionen Beschäftigten nur 1 Million Zeitarbeiter seien (da hat er auch wieder eine Statistik parat) und dass 40% der Zeitarbeiter nach 1 Jahr einen festen Job bekämen. Und die Zahl der Zeitarbeiter würde auch nicht zunehmen.
Und er hätte damals als Berufsanfänger auch zuerst einen befristeten Vertrag gehabt und der sei nach 1 Jahr in einen unbefristeten umgewandelt worden.
Und was den Vorwurf des „Sozialismus“ beträfe, der ginge ganz daneben, weil er habe den Kommunismus seit seiner Jugend immer bekämpft, zu Wasser, zu Lande und in der Luft.

Dann fährt er fort mit seinen Folien und ich gehe, weil ich das Freibad aufmachen muss.
Die anderen von mir vorbereiteten Themenbereiche (Atomkraft, Stuttgart21) kommen dann nicht mehr zur Sprache.

Fazit: Es ist sehr problematisch, inhaltlich kontroverse Geschichten bei einer derartigen Veranstaltung zu diskutieren. Von daher ist es schon die Frage, ob es etwas bringt, da überhaupt hinzugehen. Oder halt mit einer Aktion, an der mehrere Leute beteiligt sind. Na ja, schwierig.

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