K21 Kernen für Mitteilungsblatt 12-23 vom 22.03.2023

Komplettsperrung Bahnstrecke Waiblingen-Cannstatt

Bestimmt haben Sie es schon mitbekommen: Ab 21. April wird von der
Deutschen Bahn die Bahnstrecke zwischen Waiblingen und Cannstatt für
mehrere Monate komplett gesperrt. Wegen Kabelarbeiten. Mit massiven
Auswirkungen für alle Bahnfahrenden aus Kernen, die diese Strecke
normalerweise auf dem Weg zur Arbeit, zu Schule/Uni oder für
Freizeit-Fahrten nutzen.
Unser Mitglied Michael Becker hat darüber auf der Montagsdemo vom
13.3.23 gesprochen. Sie können diese Rede auf unserer Webseite
www.kernen21.de nachlesen oder im Internet unter
www.bei-abriss-aufstand.de anschauen bzw. nachhören.
Der Hürdenmelder
Seit einiger Zeit gibt es in Schorndorf einen „Hürdenmelder“. Was ist
das? Die SchorndorferInnen haben sich in ihrem Aktionsplan „Schorndorf
inklusiv“ das Ziel gesetzt, Barrieren im öffentlichen Raum abzubauen.
Nämlich jene Zugangsbarrieren, die Menschen mit Beeinträchtigung daran
hindern, am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen.
Laut Statistik haben 8% der Bevölkerung eine anerkannte
Schwerbehinderung. Sie sitzen im Rollstuhl, können nichts oder schlecht
sehen und hören. Oder es fällt ihnen schwer, sich zu konzentrieren. (Auf
Kernen umgerechnet, 8% von 15.000 EinwohnerInnen, wären dies 1.200
Personen).
Seit März 2022 gibt es auf der Webseite www.Schorndorf.de/Inklusion ein
Formular, mit dem Menschen mit Behinderung im Stadtgebiet Barrieren
benennen können.
Wenn eine Barriere angezeigt wird, geht diese Meldung an die Fachstelle
Inklusion. Von dort wird sie an die zuständigen Fachbereiche der
Verwaltung zur Prüfung weitergeleitet. Die Personen, die etwas gemeldet
haben, erhalten eine Rückmeldung. Bei kleineren baulichen Maßnahmen wird
ein Zeitpunkt für die Erledigung genannt, bei größeren Geschichten ein
Erledigungs-Fahrplan.
Wär dies ein Beispiel auch für Kernen?

Rede Michael Becker (K21 Kernen) auf der Montagsdemo vom 13. März 2023

Am 10.03.23 hat die DB PSU [Abkürzung für die DB Projektgesellschaft
Stuttgart–Ulm GmbH] in einer Pressemitteilung bekanntgegeben, dass zur
Verlegung von 1.200 Kilometern Kabeln und 70 Gleisquerungen für die
Installation des ETCS Systems für Stuttgart 21 ab dem 21. April die
Strecke Waiblingen- Bad Cannstatt für mehrere Wochen komplett still
gelegt wird. Weitere Vollsperrungen im Umland sollen folgen.
Stuttgart 21 kann ohne ETCS [European Train Control System –
elektronisches System für die Zugsteuerung] nicht in Betrieb. Um die
direkt dem Projekt zuzuordnenden Baukosten runter zu rechnen, wurden die
Tunnelquerschnitte so verkleinert, dass für etablierte Signaltechnik
kein Platz mehr war. Die 460 Millionen Euro, die die geplante
Baumaßnahem [Kabelverlegung] nun kostet, sowie die 200 Millionen, die
für die ersten Zugausrüstungen fällig sind [alle Züge müssen mit dem
neuen ETCS-System ausgestattet werden], zahlt die Allgemeinheit.
Selbstverständlich ohne den Gesamtkosten des Projekts Stuttgart 21
zugeordnet zu werden.
Einen derartigen Einschnitt in den Verkehrsalltag von Zehntausenden von
Bahnpendlern erst 5 Wochen vor Eintreten bekannt zu geben, ohne einen
Ersatzfahrplan für die in Cannstatt und Waiblingen strandenden
Bahnkunden vorweisen zu können, ist eine absolute Unverschämtheit und
nicht hinnehmbar.
Ich fordere die Bahn auf, die geplante Streckensperrung zurückzunehmen.
Ich fordere das Baden-württembergische Verkehrsministerium auf, das ja
schließlich den Regionalverkehr bei der Bahn vertraglich bestellt und
bezahlt hat, ohne Einschränkung auf die Erfüllung zu bestehen.
Ich fordere den Aufsichtsrat der Bahn, der am 30.03.23 in Berlin tagt,
auf, das Projekt Stuttgart 21 einer Wirtschaftlichkeitsprüfung zu
unterziehen, die alle direkten und indirekten Kosten berücksichtigt. Ud
bis dahin einen absoluten Baustopp zu verhängen. Wir erinnern uns – vor
genau zehn Jahren – hatte der Aufsichtsrat der DB für einen Weiterbau
gestimmt, weil der sich angeblich um 77 Millionen Euro gegenüber einem
Projektstopp noch rechnen würde. Diese Marke wurde seitdem um ein
x-faches gerissen.
Auch ohne Streckensperrung herrscht schon genug Chaos an Rems und Murr,
die neuen S-Bahn-Züge laufen nicht störungsfrei, so dass die S3 nur noch
maximal im Halbstundentakt fährt. Wegen des ETCS Einbaus stehen nicht
genug Regionalzüge zur Verfügung, die Ersatzzüge aus den 1970er-Jahren
sind nicht behindertengerecht. Bis zum 17. April werden zwischen
Waiblingen und Schorndorf Gleise erneuert, was ebenfalls mit massiven
Zugausfällen verbunden ist.
Nun schlägt die Stunde der Pharisäer und Heuchler. ch zitiere jetzt mal
aus der StZ vom 11.03.23: „OB Nopper bezeichnete die Ankündigung der
Bahn als Riesenärgernis. Er sagte: Das ist eine ganz bittere Pille,
gerade für die Pendler und Bahn-Nutzer“.
Oh welch geistreiche Erkenntnis. „Es müsse nun ein guter Ersatzverkehr
organisiert werden“. Aha.
Regionaldirektor Alexander Lahl und Verband-Region-Stuttgart
Verbandsvorsitzender Thomas Bopp begrüßen sogar die Baumaßnahmen als
Chance für die Verbesserung der fehleranfälligen Infrastruktur,
allerdings ohne die Beseitigung der unzähligen weiteren Defizite der
Bahn rund um Stuttgart zu fordern. Signalstörungen alleine sind nur ein
Bruchteil der alltäglichen Betriebsstörungen.
Olaf Drescher, der Geschäftsführer der DB PSU, führt an, dass die
gravierenden Eingriffe nicht zu vermeiden waren, ohne zu erwähnen, dass
in der Schweiz unter rollenden Rädern der ETCS Einbau vorgenommen wurde.
Und unser „kritischer Projektbegleiter“, Verkehrsminister Herrmann?
Zeigte sich in einem SWR Interview irritiert, verärgert, sieht einen
herben Schlag für die Pendler und fordert was? Nein, nicht etwa das
denklogische Ende vom gescheiterten Projekt Stuttgart 21, sondern
appelliert eindringlich in der StZ an die Bahn, ihre Zusage einzuhalten
und den S-21-Tiefbahnhof 2025 in Betrieb zu nehmen. Und fordert
ebenfalls die Bahn auf, nun die Ersatzverkehre schnellstmöglich zu
organisieren.
Da ich daran so meine Zweifel habe, dass die Bahn das hinbekommt,
erhoffe ich mir Hilfe aus dem großen Kreis der Stuttgart 21 Befürworter.
Andi Scheuer könnte als Juicer [Selbstständige, die die herumstehenden
Elektro-Roller nachts einsammlen] eine Flotte E-Scooter bereitstellen.
OB Nopper könnte neben seiner Frau auch ein paar Berufspendler in seiner
Kutsche mitnehmen. Der begeisterte Radler Winnie Hermann als
Rikscha-Fahrer die Bahnlücke überbrücken. Christian Lindner im Porsche
sowie Friedrich Merz im Flugzeug böten sich als Eilboten an und Elon
Musk könnte mit seinem Unternehmen Space X einen Shuttle Service
anbieten, der endlich mal seinen Namen verdient.
Da es aber wohl eher auf einen Pendelverkehr mit überfüllten Bussen auf
verstopften Straßen rauslaufen wird, geht die Saat von Autominister
Wissing auf, jegliche Verkehrswende in Richtung Klimafreundlichen
Verkehr zu sabotieren.
Daher bleibe ich bei der Forderung, die Streckensperrung zurück zu
nehmen und lieber „Oben zu bleiben“.

Dieser Beitrag wurde unter Allgemein veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.